DRESDNER Interviews / O-ton!
Den schüchternen Jungen vergessen – Purple Disco Machine im Interview (Foto: Fiona Garden)
Purple Disco Machine im Interview (Foto: Fiona Garden)
■ Trommelwirbel, Tusch! Tino Piontek aka Purple Disco Machine hat es geschafft. Anfang des Jahres wurde der DJ und Produzent für seinen Remix des Lizzo-Songs »About Damn Time« mit einem Grammy ausgezeichnet. DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl sprach mit dem sympathischen Dresdner über den Vorteil von Beschaulichkeit, Fehler und die Zusammenarbeit mit Sophie And The Giants.

Wie überrascht warst du, als am 5. Februar bei den Grammys in Los Angeles dein Name für den besten Remix genannt wurde?

Purple Disco Machine: Mindestens so überrascht, wie jeder andere auch. Ich hatte nicht mal eine Rede vorbereitet. Mein Manager hatte so ein Gefühl, das ich die ganze Zeit versucht habe zu ignorieren. Ich konnte mir das nicht vorstellen, die Konkurrenz war wirklich groß.

Kam mit der Auszeichnung der Gedanke, die Koffer zu packen und den Wohnsitz von Dresden nach London, New York oder Los Angeles zu verlagern?

Purple Disco Machine: Um Gottes willen! Ich bin gerne in den Städten, abgesehen von London, die Stadt stresst mich nach 10 Minuten. Selbst mit Berlin geht es mir so. Da mein Label dort ist, bin ich beruflich oft vor Ort und habe auch viele Freunde in der Stadt. Trotzdem muss ich nach ein, zwei Tagen wieder schnell zurück ins beschauliche Dresden. Ich bin nicht der Typ für wuselige Großstädte, wäre da bei weitem nicht so kreativ.

Dein Remix von Lizzos »About Damn Time« klingt nach der besseren Seite der 70er. Gibt es bei dir einen speziellen Ansatz?

Purple Disco Machine: Es geht darum, wie ich einen Remix im Kopf angehe. Kann ich mich mit dem Künstler identifizieren und löst das Ganze in mir irgendetwas aus? Das war bei Lizzo der Fall. Ich habe ihre Musik von Anfang an gemocht, schon das erste Album war unglaublich gut. Von daher habe ich auf die Anfrage Ja gesagt, ohne dass ich den Song vorher gehört hatte, da er noch nicht veröffentlicht war. Ich will dann so nah wie möglich am Original sein, das ursprüngliche Gefühl des Songs beibehalten, es aber in meine Version transportieren. Ich überlege mir, welche Elemente ich vom Original in eine DJ-spielbare Version transportiere, um es tanzbarer und clubbiger zu machen. Das ist im Endeffekt mein Ansatz. Ein weiteres Geheimnis ist, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren und einen Song nicht zu verspielen. Mit dem Remix von »About Damn Time« bin ich komplett happy und habe nie das Gefühl, ich hätte noch etwas ändern können.

Waren Fehler und ihr Lerneffekt ein wichtiger Prozess auf dem Weg zum Erfolg?

Purple Disco Machine: Definitiv. Ich bin unglaublich froh, bei meinem Purple Disco Machine-Projekt über die letzten zwölf Jahre fast komplett fehlerfrei durchgekommen zu sein. Die großen Fehler, wie auf die falschen Leute vertrauen, Sachen komplett naiv anzugehen oder beim falschen Major-Label zu sein, habe ich alle vorher gemacht. Dabei geht es auch um Feingefühl, welche Leute in der Musikbranche einen wirklich weiterbringen, welche Freunde ehrliche Menschen sind und wer einfach nur ein Stück vom Kuchen abhaben will. Mein Manager ist von Anfang an mit dabei und hat mindestens einen genauso großen Anteil an diesem Grammy. Ohne ihn wäre das alles nie passiert. So ging es mir über die Zeit mit vielen Menschen.

Im Mai durftest du dich in das Goldene Buch der Stadt Dresden eintragen ... ?

Purple Disco Machine: Da war ich aufgeregter, als vor der Grammy-Verleihung. Für mich ist das greifbarer. Ich bin Dresdner und weiß, was es bedeutet, sich in das goldene Buch einzutragen.

Neben vielen anderen Kooperationen hast du mit Sophie And The Giants bereits drei gemeinsame Songs veröffentlicht – »Hypnotized«, »In the Dark« und vor kurzem »Paradise«. Eine spezielle künstlerische Verbindung?

Purple Disco Machine: Wir haben von der ersten Minute an super harmoniert. Sie ist fast 20 Jahre jünger und trotzdem sind wir auf einer Wellenlänge. Sophie hat dieses 80er-Gefühl, obwohl sie das nie miterlebt hat. Da ist eine Wärme in ihrer Stimme, die mich schon beim Hören der unbearbeiteten Rohversion in einen warmen Schleier hüllt, ähnlich wie bei kurzen Kindheitsflashbacks. Das habe ich ganz selten. Von daher war klar, dass ich auch beim neuen Album wieder mit Sophie arbeiten werde. Live kündigen wir nie an, wenn sie dabei ist. Kommt Sophie dann überraschend auf die Bühne, sind die Leute immer positiv überrascht. Sie ist eine wirklich gute Performerin.

Du hast mal gesagt, auf die Bühne zu gehen ist für dich auch Konfrontationstherapie. Wird das durch die schiere Masse an Auftritten irgendwann besser, oder überwiegt das Lampenfieber?

Purple Disco Machine: Manchmal habe ich sogar das Gefühl, es wird schlimmer. Gerade auf Tour entwickelt man subtile Ticks, wenn der Körper versucht, die Nervosität irgendwie zu verarbeiten. Von außen merkt man das nicht. Das DJ-Pult vor mir ist dann wie eine Barriere, die ich brauche, um mich sicher zu fühlen. Große Festivals mit einer gewissen Distanz machen mich auch weniger nervös, als die Intimität kleiner Clubs. Mittlerweile reisen wir mit einer Tourfamilie von vier, fünf Leuten. Das hilft. Auf der Bühne springe ich dann in meine Rolle, samt Hemd und Jacke. Während der Show versuche ich den schüchternen Jungen Tino Piontek zu vergessen und bin zu hundert Prozent Purple Disco Machine. Erst wenn ich danach mit Fans in Kontakt bin, switche ich wieder.

Ist eine ausverkaufte Junge Garde da Heimspiel, oder doppelte Herausforderung?

Purple Disco Machine: Das wird dieses Jahr wohl die schönste und die schlimmste Show. Die schönste, weil es in meiner Heimatstadt ist und wir noch nie eine Show so sehr vorbereitet und geplant haben. Alles in einer Location, zu der ich einen persönlichen Bezug habe. Als Kind, noch zu DDR-Zeiten, habe ich hier meine ersten Konzerte erlebt. Auf der anderen Seite möchte man natürlich gerade zu Hause, vor Familie und Freunden nicht versagen, sondern die Leute am Tag danach mit einem Lächeln im Gesicht auf der Straße treffen. Dann weiß man, es hat funktioniert.

Stichwort KI: Angst, dass dich die rasante Entwicklung in naher Zukunft arbeitslos machen kann?

Purple Disco Machine: Ich habe KI noch nie genutzt und kenne ehrlich gesagt auch niemanden, der es schon mal wirklich sinnvoll genutzt hat. Es gibt einen Grund, warum Disco-Musik seit 40 Jahren die Charts bestimmt und so viele Genres beeinflusst. Sie wird von echten Menschen gemacht, mit Seele, Gefühl und einem gewissen Groove. Musik, die zu hundert Prozent vom Computer gemacht wurde, wird nie zeitlos sein. Von daher sehe ich das ganz entspannt. Sollte KI irgendwann besser sein als ich, war ich wohl richtig schlecht und sollte vielleicht was anderes machen.
Vielen Dank für das Gespräch!

DRESDNER Kulturmagazin präsentiert: Purple Disco Machine, am 15. September in der Jungen Garde. Die Show ist ausverkauft. Anm. d. Redaktion: Zum Zeitpunkt des Interviews waren die Vorwürfe gegen Lizzo (u. a. Diskriminierung, sexuelle Belästigung, Freiheitsberaubung) noch nicht publik. Mehr zum Künstler: www.purplediscomachine.com/

« zurück