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»Die Bösewichte machen das Stück« – Im Gespräch mit Opern-Bass Kurt Rydl (Foto: Ifkovits) zur Premiere von »Katja Kabanowa« an der Semperoper
Im Gespräch mit Opern-Bass Kurt Rydl (Foto: Ifkovits) zur Premiere von »Katja Kabanowa« an der Semperoper
■ Für seine Oper »Katja Kabanowa« nahm Leoš Janáček ein Drama von Alexander Ostrowski zur Grundlage: »Das Gewitter« war als kritisches Sittengemälde aus dem Russland der Leibeigenschaft seinerzeit viel gespielt und diskutiert. Max Brod, der deutsche Übersetzer der Oper, verglich »Katja Kabanowa« mit Flauberts »Madame Bovary«. Schauplatz des Geschehens ist eine Kleinstadt an der Wolga, wo eine unglücklich verheiratete junge Frau versucht, aus dem Gefängnis der Konventionen auszubrechen, und tragisch zugrunde geht. Ihrer kaltherzigen Schwiegermutter ist die Wahrung der Sitte wichtiger als Glück und Wohlergehen der Familie. In diesem personellen Spannungsfeld und in atembeklemmender Enge spielt sich die Handlung von Janáčeks Oper ab. Die Inszenierung an der Semperoper ist eine Kooperation mit dem Nationaltheater Prag. Die Rolle des Kaufmanns Savjol Dikoj wird der Wiener »Heldenbass« Kurt Rydl singen. Er zählt zu den bedeutendsten Sängern seines Stimmfachs und war in Dresden schon in verschiedenen Rollen zu erleben. DRESDNER-Autorin Annett Groh sprach mit Kurt Rydl anlässlich der Premiere von »Katja Kabanowa«.

Das Stück schildert sehr bedrückende Verhältnisse. Wie empfinden Sie die Oper? Spiegelt sich das alles auch in der Musik wider?

Kurt Rydl: Die Oper hat ein sehr dunkles Kolorit. Da geht es nicht um Belcanto, sondern um einen tieferen, inneren Ausdruck, um das Drama. Es ist ein sehr düsteres Stück mit dem, was man slawischen Einschlag nennt: Verzweiflung, Ausgestoßensein, Unverstandensein – das ist die Stimmung. Würde man sie malen, dann wären da als Farben Dunkelblau, Dunkelgrau. Dazwischen ein paar hellere Punkte, in den Liebesszenen – aber viel ist das nicht. Und doch machen mir solche Stücke mit ihrer Tragik und Schärfe Freude.

Ihre Rolle ist der Kaufmann Dikoj. Was für ein Charakter ist er?

Kurt Rydl: Der Dikoj ist wirklich kein angenehmer Zeitgenosse. Auf der einen Seite sehr herrisch – ein Arbeitgeber, der wirklich auf seine Leute eindrischt. Auf der anderen Seite, bei der Dame seines Herzens, bricht er besoffen zusammen. Die Partie ist also sehr aufbrausend, zugleich weinerlich und ein bisschen dumm. Wirklich ein unglücklicher Charakter. Aber ich habe solche Partien sehr gern, denn meistens machen ja die Bösewichte das Stück. Gäbe es nur Sopran und Tenor und damit nur Liebespaare, würde es auf der Oper langweilig. Es braucht immer einen negativen Zündstoff.

Der Dikoj ist für Sie ein Rollendebüt?

Kurt Rydl: Ja, und dass in meinem Alter jetzt noch häufig Rollendebüts hereinkommen, das ist schon eigenartig. Eigentlich habe ich über 120 Opern gesungen, und trotzdem kommt immer noch etwas dazu. Die Rolle ist nicht leicht, weil die tschechische Sprache nicht leicht zu singen ist – da muss ich mich wirklich dahinterklemmen. Meine einzige tschechische Rolle war bisher der Wassermann in der »Rusalka« von Dvořák. Das ist aber schon viele Jahre her.

Was war für Sie an der Rolle so interessant, dass Sie zugesagt haben?

Kurt Rydl: In meinem Repertoire halten sich die Bösewichte auf der einen Seite und – nennen wir sie humoristische Rollen die Waage. Wir haben also auf der einen Seite Hagen in der »Götterdämmerung« oder Boris Ismailow in der »Lady Macbeth von Mzensk« – eben die dunklen Figuren. Aber der Bass, das sind nicht nur die Bösewichte, es sind auch Könige, es sind ältere Männer, Väter, Priester. Und es sind die großen komödiantischen Rollen wie Baron Ochs im »Rosenkavalier« oder Osmin in der »Entführung aus dem Serail«.

In welcher Oper ist der Bass auch der Held?

Kurt Rydl: Als Hagen ist er immer der Held! Als Bass bin ich der böse Held. Wenn ich Wagners »Ring« singe, dann sterb ich in allen Rollen. Zuerst sterb ich als Fasolt, weil mich der Fafner umbringt, dann sterb ich als Fafner, weil mich der Siegfried umbringt. Dazwischen sterb ich als Hunding, weil Wotan mich tötet. Und am Schluss bring ich zwar als Hagen den Siegfried um, aber die Rheintöchter ziehn mich in den Rhein und ich sterbe wieder. Ich bin ein sterbender Charakter. Die strahlenden Heldenpartien gehören in erster Linie dem Tenor oder manchmal dem Bariton. Man kann den Don Giovanni auch als Bass singen. Aber auch er ist wiederum ein tragischer Held, denn er fährt zur Hölle.
Vielen Dank für das Gespräch!

»Káťa Kabanová / Katja Kabanowa« Oper von Leoš Janáček, in tschechischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln. Inszenierung von Calixto Bieito, musikalische Leitung Alejo Pérez. Premiere am 28. April an der Semperoper. Mehr zur Inszenierung: www.semperoper.de/spielplan/stuecke/stid/katja-kabanowa/62288.html

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